Freitag, 23. April 2010

93,6 kg - es wird einfacher

Verglichen mit anderen nehme ich im Schneckentempo ab, bin aber dennoch recht zufrieden mit mir.
Wenn ich unvermutet vor einen Spiegel gerate oder Fotos von mir gemacht werden, kann ich weiterhin kaum fassen, wie rund und voluminös ich bin, wie grob mein Gesicht derzeit geschnitten ist, wieviele Kinne darunter hängen und wie übel sich mein Körper in der Kleidung verklumpt - aber:

dann atme ich tief ein und sage mir, dass das jetzt schon fast 7 Kilo weniger sind als es Weihnachten waren und auch Weihnachten war ich eine durchaus "coole Sau".
In den letzten Monaten habe ich nicht nur begriffen, dass ich mit Essen Stress, Sorgen, Schlafmangel und Kummer kompensiere, sondern freue mich auch über diese Fähigkeit.
Wenn es in meinem Leben dicke kommt, dann klappe ich nicht zusammen, sondern meister' die Situationen auf eine Art, die mich wirklich stolz macht - ich nehme dabei nur heftig zu.
Da gibt es durchaus Schlimmeres.
In den letzten Monaten habe ich mein Leben gründlich entrümpelt und dem Umstand Rechnung getragen, dass ich eine alleinerziehende voll berufstätige Mutter bin.
Wurde ich früher zu einer zB Tupperparty eingeladen, bin ich nicht nur brav hingegangen, sondern habe immer auch gefragt, ob ich etwas mitbringen soll und am besten vor und nach der Party noch beim Aufräumen geholfen. Ich habe dann ernsthaft nachts noch einen Kuchen gebacken, mich mit meiner Arbeit beeilt und war frühzeitig dort um beim Dekorieren zu helfen und war zum Dank dann die Dickste, abgehetzt und auch noch mit dem Gefühl, etwas kaufen zu müssen, weil man das so tut.
Ich mochte die Illusion, dass mich die anderen insgeheim für meine unerschöpfliche Energie, Fröhlichkeit und Hilfsbereitschaft schätzten auch wenn ich optisch nicht der Bringer war.

Heute sage ich solche Partys weiterhin nicht ab.
Nö, ich habe den kompletten Bekanntenkreis aus meinem Leben geschubst, der solche Partys überhaupt im Repertoire hat.
Mir wurde prophezeit, dass ich irgendwann total vereinsamen werde.
Eine hässliche Zukunftsprognose einerseits.
Aber wenn ich meine einsamen Spaziergänge (ich möchte es immer noch nicht walken nennen) mache, fühle ich mich soviel besser als in der Gesellschaft irgendwelcher Menschen.

Das kann irgendwann wieder anders sein.
Aber derzeit bin ich absolut damit ausgelastet, mich um meine Kinder, meinen Job, mich selbst und den Haushalt zu kümmern.
Ich kann mir vorstellen, dass es mir in 10 oder 20 kg Spaß machen könnte, mich mit meinem "schlanken Körper" vor den anderen blicken zu lassen.
Dann werde ich das tun.
Die 7 kg, die bisher weg sind, sehe ich übrigens selbst noch nicht.
Ich merke gelegentlich, dass Hosen rutschen, die dies vorher nicht taten.
Leider fehlt aber die Phase, in der Hosen einfach mal gut sitzen.
Sämtliche Hosen schlagen einfach im Bund nach außen um, sobald ich mich setze - oder sitzen unter der Muffin-Speckrolle eng.
In Kleidern reiben sich dafür die Oberschenkel gegenseitig wund, weshalb ich ständig Radler-Hosen darunter trage und versuche, das peppig und sportlich frech zu finden.
Mein "hey, das sind 7 Kilo weniger als Weihnachten"-Mantra hilft dabei ungemein ;-)

Ach ja - noch etwas:
mein Essverhalten wird immer beiläufiger.
Derzeit brauche ich die Krücke der Eintönigkeit nicht mehr.
Das heißt, ich muss mir nicht dauernd Brokkoli mit Fisch oder Reis kochen und muss auch abends nicht mehr irgendwelche dünnen Suppen zubereiten um nicht von plötzlichem Heißhunger getrieben den kompletten Kühlschrank zu leeren.
Ich greife bei Tisch erstens nicht mehr so oft zu und zweitens halte ich mich ganz automatisch an das Gemüse und nehme nur wenig Fleisch oder Sauce.
Meine Portionen gleichen sich denen anderer an.
Ich muss nicht mehr 500 Gramm gedünsteten Brokkoli futtern um meinen Magen so voll zu laden, dass ich nicht kurz darauf gierig an noch gefrorenen Fischstäbchen herumnuckle ...
(das war ein Gag - ich habe es nie getan ... aber durchaus mal in Erwägung gezogen ...)

Was noch besser ist:
ich habe keine Angst mehr vor Lasagne, Gyros oder Fritten.
Ich genieße fette Lebensmittel - fühle durchaus wahre Wonnen dabei - und habe das Gefühl, dass mich dieser Genuss vom Schlingen abhält.
So habe ich zuletzt 5 Fritten mit Majo genossen und mich dann wieder meinem Salat zugewandt, was meinen Sohn, von dessen Teller ich die Fritten genascht hatte, schwer beruhigt hat.
Ich habe mich aber nicht zusammengerissen, sondern 5 fette Fritten waren einfach genug.
Ein geiles Erlebnis, Essen zu genießen und weder direkt dabei oder später Reue zu empfinden, sondern einfach nur gegessen/genossen zu haben.

Natürlich würde ich gerne so rasend abnehmen, wie es beim Biggest Loser gezeigt wird.
Natürlich wäre ich gerne lieber heute als übermorgen oder wohl eher nächstes Jahr schlank, aber andererseits wähne ich mich auf einem Schneckentempo-Kurs zur Taille, den ich jahrelang halten kann, da er zu mir und meinem Leben passt.
Selbst wenn ich jeden Monat nur ein Kilo abnehmen sollte, bin ich doch jedes Jahresende 12 kg leichter als im Jahr zuvor.
30 kg in 3 Jahren klingt nicht berauschend - aber die Vorstellung, Weihnachten 2012 70 kg zu wiegen, lässt mich durchaus lächeln.
(ok, prompt lässt mich der Gedanke an Weihnachten 2014 strahlen ...)

5 Kommentare:

SusiP hat gesagt…

Das ist irgendwie völlig in Ordnung, was ich da lese und wie du das machst und wie du bist.

Aber an den gefrorenen Fischstäbchen zu nuckeln ist mir noch nie in den Sinn gekommen. Da würde es vielleicht ein Löffel Paniermehl auch tun.

Und ich bitte hier mal etwas öfter um Meldung!

Anonym hat gesagt…

Oh ja, die Übereifrigkeit beim Helfen kenne ich von mir auch sehr gut. Lange hat mich auch die Angst vor Vereinsamung davon abgehalten, nicht mehr die nette, hilfsbereite Dicke zu sein. Was soll ich sagen, die Erfahrung zeigt, ist man es nicht mehr, kommen einem die ein oder anderen Menschen tatsächlich abhanden - und es ist gut so :-)

Auf das Lob für nächtliches Kuchenbacken oder mal wieder Arbeit von anderen übernehmen, kann ich inzwischen auch gut verzichten. Fiel mir aber erstaunich schwer *mmh*

Der Kardiologe meines Vaters empfahl immer 1 kg/ Jahr abzunehmen. Da wärest du mit 1 kg/ Monat doch nahezu rasant dabei ;-)

Dein Weg hört sich gut an, vor allem hörst du dich gut an - ich wünsch dir weiterhin viel Erfolg ! (Und der zeigt sich ja nicht nur auf der Waage :-))

Anonym hat gesagt…

Von all den Diät-Bloggerinnen fühle ich mich von Deiner Einstellung her am meisten angesprochen.
Mein Weg ist ähnlich wie Deiner.
Auch das "Gefallen durch Helfen" lege ich gerade ab.
Erst heute habe ich einer Freundin abgesagt, weil es mir einfach nicht gut tut - heute - das Treffen.

Gruß Tini

Shoushou hat gesagt…

Ich weiß nicht ,obn ich dich knuddeln im inne von Blödsinnigmitleidigtun soll oder einfach nur bewundern.

Du schreibst mit einem so tollen und tiefgründigen Humor, dass man dir fast raten möchte, nicht weiter abzunehmen, glaubst du, schlank macht allein glücklich? Was ist, wenn du dann super dünn, aber doch nur noch humorlos und fix und fertig bist? Irgendwie klingt das so nach selbst erwählter Einsamkeit. Ich wünsche dir, dass du deine offene und selbstironische Art nicht mit weghungerst.

Herzlichst Shoushou

Anonym hat gesagt…

so wie Dir geht es mir im Moment auch, dass ich mich von Menschen befreien möchte. Was mir dabei Angst macht, ist, dass ich vor der Einsamkeit keine Angst habe. Ich habe Angst vor meiner eigenen Arroganz. Angst, ein richtiger Menschenfeind zu werden... seufz. Ob das gut ist? - Bei Dir hört sich die Veränderung gut an... bei mir selbst weiß ich es nicht.